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Gesundheitsmarkt 2020 - Rückblick

Zur geschichtlichen Entwicklung des Kassenarztsystems

Alles begann 1883 mit dem Erlass des "Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter".

Die Geschichte des Kassenarztrechts beginnt am 15. Juni 1883 mit dem Erlass des "Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter". Zuvor standen sich Arzt und Patient als freie Vertragspartner gegenüber, die das Honorar für die ärztlichen Leistungen untereinander aushandelten. Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen gab es kaum, da die Kassen nach dem Kostenerstattungsprinzip arbeiteten und das ärztliche Honorar nicht beeinflussten.

Diese Situation änderte sich mit Inkrafttreten des "Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter". Das Gesetz führte die Pflichtversicherung eines Großteils der Arbeiterschaft ein. Vor allem aber ersetzte es das Prinzip der Kostenerstattung durch jenes der Sachleistung. Die Krankenkassen schuldeten den Versicherten fortan freie ärztliche Behandlung. Zur Erfüllung dieser Pflicht mussten sie in Rechtsbeziehungen zu den Ärzten treten. Der Arzt hatte seinen Honoraranspruch gegenüber den Kassen geltend zu machen.

Bald entwickelten sich Spannungen zwischen Ärzten und Kassen, weil das Gesetz Bereiche wie die Vergütungshöhe oder die Auswahl der Ärzte nicht normierte, so dass die Kassen unter den Ärzten frei auswählen und einseitig bestimmen konnten. Diese zunächst nur faktische Möglichkeit wurde den Kassen durch Änderungsgesetz vom 10. April 1892 sogar gesetzlich verbrieft. Sie konnten danach die Person des behandelnden Arztes bestimmen und die Bezahlung anderer als dieser Ärzte im Regelfall ablehnen. Zur Höhe der Vergütung holten die Krankenkassen Angebote bei den Ärzten ein. Verträge wurden mit denjenigen Ärzten geschlossen, die das niedrigste Angebot abgaben. Die Ärzteschaft musste diese Bedingungen notgedrungen akzeptieren.

Die einzelnen Ärzte waren bei diesem System der Übermacht der Krankenkassen weitgehend hilflos ausgeliefert. Sie begannen deshalb Ärzteverbände zu gründen, um ihre Interessen wirkungsvoller durchsetzen zu können. Dies gelang der Ärzteschaft schließlich mit dem im Jahr 1900 gegründeten ,,Leipziger Verband", der später nach seinem Gründer in "Hartmannbund" umbenannt wurde.

Eine grundlegende Umgestaltung der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Ärzten brachte Ende 1913 das sogenannte Berliner Abkommen. Das Abkommen führte die Zulassung von Ärzten zur kassenärztlichen Versorgung ein. Je 1.350 Versicherte war ein Arzt bei der Kasse zuzulassen. Über die Zulassung hatte ein sogenannter Registerausschuss zu entscheiden, der aus einem beamteten Vorsitzenden und Vertretern der Ärzte und Kassen bestand. Den Krankenkassen war damit die Möglichkeit genommen, die Ärzte frei auszuwählen, mit denen sie Verträge schließen wollten. In den Jahren des wirtschaftlichen Niedergangs nach dem Ersten Weltkrieg verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen wieder.

Die Reichsregierung regelte die Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen nun erstmals durch Gesetz, nämlich durch die am 30. Oktober 1923 erlassene "Verordnung über Ärzte und Krankenkassen". Im wesentlichen wandelte der Gesetzgeber hiermit die bereits im Berliner Abkommen vorgesehenen Institutionen in öffentliches Recht um. Die Ärzte wurden nun durch einen Zulassungsausschuss zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen.

Mit der Zulassung wurde anerkannt, dass ein einzelner Arzt Anspruch auf Abschluss eines Vertrages über die Ausübung der Kassenpraxis hatte. Erstmals konnten Organisationen von Kassenärzten mit den Krankenkassen Gesamtverträge schließen, die aber erst durch Übernahme in die Einzelverträge zwischen Arzt und Krankenkasse für den Arzt verbindlich wurden.

Die Weltwirtschaftskrise und die mit ihr verbundene enorme Arbeitslosigkeit entzogen dem noch jungen System der gesetzlichen Krankenversicherung die wirtschaftliche Grundlage. Die Folge waren Kostendämpfungsmaßnahmen und im Jahr 1931 der Erlass der "4. Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutze des inneren Friedens". Herausragende Erneuerung war die Einrichtung von Kassenärztlichen Vereinigungen als rechtsfähige, genossenschaftlich organisierte Körperschaften des öffentlichen Rechts.

Alle Kassenärzte waren Kraft Gesetz Mitglieder in dieser Vereinigung. Die Kassenärztliche Vereinigung hatte den Kassen gegenüber die Gewähr für eine ordnungsgemäße kassenärztliche Versorgung zu übernehmen. Sie überwachte die den Kassenärzten obliegenden Verpflichtungen und übte Disziplinarbefugnisse aus. Des weiteren wies ihr der Gesetzgeber auch den Abschluss von Gesamtverträgen, die Berechtigung zur Entgegennahme einer Gesamtvergütung sowie das Recht zur Verteilung dieser Vergütung an die einzelnen Kassenärzte zu. Insgesamt wandelte der Gesetzgeber mit der Anerkennung der kassenärztlichen Selbstverwaltung, die bisher aus Arzt, Kasse und Patient bestehende Dreiecksbeziehung, in ein Vierecksverhältnis um.

In diesem System blieb das Prinzip der einzelvertraglichen Regelung zwischen Kassen und Ärzten bestehen, allerdings nur in rudimentärer Form: Der Arzt musste eine schriftliche Erklärung abgeben, dass er dem Gesamtvertrag und seinen Ausführungsbestimmungen beitrete. Der Vertragsschluss war damit nur noch ein formaler Akt. Der Inhalt der Einzelverträge konnte von Ärzten und Krankenkassen nicht mehr geregelt werden, sondern ergab sich aus den Kollektivvereinbarungen.

Integrative Versorgungssysteme: Das Gelingen wird in erster Linie von der Initiativkraft der teilnehmenden Ärzte abhängen.



Nach dem Zweiten Weltkrieg beseitigte das am 19. August 1955 verkündete "Gesetz über Kassenarztrecht" die in der Zeit des Nationalsozialismus vorgenommene Zentralisierung und kehrte grundsätzlich wieder auf die 1931 begonnene Linie zurück. In der Folgezeit gab es zahlreiche Änderungen, wobei nur auf die Einfügung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung in das 5. Buch Sozialgesetzbuch hingewiesen werden soll.

Den Einzelvertrag zwischen Krankenkasse und Kassenarzt, der in den Anfängen Grundlage des kassenärztlichen Systems war, in der Folgezeit aber immer mehr an Bedeutung verloren hat, gibt es heute nicht mehr. Die Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen werden nach gegenwärtiger Rechtslage auf verbandlicher Ebene durch Gesamtund Bundesmantelverträge geregelt.

Die einzelnen Ärzte sind somit heute in ein komplexes System öffentlich/rechtlicher Regelungen eingebunden, das nicht zu ihrer Disposition steht. In diesem System werden ihre Interessen durch die Kassenärztliche Vereinigung vertreten, allerdings nach Auffassung vieler Ärzte nur unzureichend. Das hängt damit zusammen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen einerseits zwar ärztliche Selbstverwaltungskörperschaften sind, andererseits aber vielfältige staatliche Aufgaben gegenüber den Ärzten wahrnehmen. Sie sind damit zugleich Interessenvertretung der Ärzte und verlängerter Arm des Staates. In der zuletzt genannten Funktion stellen sie die vertragsärztliche Versorgung sicher und verteilen die Gesamtvergütung. Insoweit kann man von einem System öffentlich-rechtlicher Verteilungslenkung sprechen, das dem Wettbewerb um Gesundheitsdienstleistungen im Wege steht und unabhängige ärztliche Unternehmen nicht zulässt.

Die Krankenkassen fordern schon lange, dass das Monopol der Kassenärztlichen Vereinigungen fallen soll. Auch die Ärzteschaft drängt auf mehr Selbstbestimmung und unternehmerische Freiheit. Die Bemühungen unterschiedlicher Gruppierungen zur Gründung von integrativen Versorgungssystemen in der Bundesrepublik Deutschland sind ein Beleg hierfür.

Ziel dieser Initiativen ist es, die Eigenständigkeit der Ärzte zu bewahren, wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen, Unternehmertum in ärztlicher Kooperation zu entwickeln und neue Märkte zu erschließen.

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