Wenn Selbständige bislang das Risiko des Scheiterns minimieren wollten, konnten sie in die freiwillige Arbeitslosigkeitsversicherung eintreten. Die gute Nachricht: Das ist auch weiterhin möglich. Dies hat nach dem Bundeskabinett nun auch der Bundestag in unveränderter Form beschlossen.
Die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbständige soll über 2010 hinaus zu einer Dauereinrichtung werden. Bloß: Die Bedingungen haben sich verändert, die Beitragssätze steigen bis 2012 auf das Vierfache der jetzigen Höhe an. So steht es im „Beschäftigungschancengesetz“, das in Kürze in Kraft tritt. Erst dann können Sie via Sonderkündigungsrecht die Versicherung verlassen, falls Sie sich mit der Beitragserhöhung nicht belasten wollen.
Bislang war die freiwillige Arbeitslosenversicherung eine gute Empfehlung für alle Gründer, die sich ihres Erfolgs noch nicht ganz sicher waren, zumal sich die monatliche Belastung in Grenzen hielt: In den alten Bundesländern belief sie sich zuletzt auf einen Monatsbeitrag von rund 18, in den neuen Bundesländern auf rund 15 Euro. Kein Wunder, dass zwei Drittel der Gründungszuschuss-Gründer diese Möglichkeit genutzt hatten, um ihr Risiko zu minimieren.
Ab 2011 aber müssen Selbständige aus Ost und West für diesen
Schutz tief in die Tasche greifen: Die Beiträge steigen in zwei
Stufen auf das Vierfache der jetzigen Höhe. Ab 2011 müssen
Selbständige das doppelte, ab 2012 viermal so viel wie jetzt
berappen. Konkret heißt dies, dass Selbständige in den alten
Bundesländern künftig mit rund 70 Euro Monatsbeitrag rechnen
müssen, in den neuen Bundesländern mit 60 Euro. Da der Beitrag an
die Höhe des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung gekoppelt
ist, wird der Beitrag zusätzlich steigen, wenn der Beitragssatz in
Zukunft von dem historisch niedrigen Wert von 2,8 Prozent erhöht
wird. Außerdem wird auch die zweite Berechnungsgrundlage, die so
genannte monatliche Bezugsgröße, jedes Jahr mit der allgemeinen
Einkommensentwicklung nach oben angepasst.
Leidtragende sind ganz besonders Selbständige mit niedrigem Gewinn und geringer formaler Ausbildung: Der Beitrag wird nämlich unabhängig vom Gewinn und damit der finanziellen Leistungsfähigkeit festgelegt - bei der künftigen Höhe der Beiträge ein Problem. Das ausgezahlte Arbeitslosengeld richtet sich jedoch nach der formalen Ausbildung. Wer kein Studium oder zumindest Abitur hat, bekommt deutlich weniger Arbeitslosengeld - obwohl gleich hohe Beiträge einbezahlt wurden.
Einen kleinen Trost gibt es nur für frischgebackene Gründer – für sie gilt eine Übergangsfrist: Im ersten Jahr ihrer Selbständigkeit müssen sie künftig zumindest nur den halben Beitragssatz zahlen, was dennoch das doppelte vom aktuellen Betrag darstellt. Grünen-Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer bezeichnete die Änderungen als "Gründungserschwernis": Denn gerade Gründern kleiner Unternehmungen dürften die Beiträge zu hoch sein, um weiter in der Versicherung zu bleiben, selbst wenn es im ersten Jahr einen "Rabatt" gibt. Frank Werneke, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Verdi, weiß "dass sich viele die enorm erhöhten Kosten eines solchen Versicherungspflichtverhältnisses" nicht werden leisten können. Das politische Ziel, gerade den Schwächsten einen Schutz anzubieten, dürfte damit verfehlt sein.
Auch wer nach den ersten Jahren der Selbständigkeit das Risiko eines Scheiterns als gering einstuft, dürfte ab 2011 wenig Interesse an einer Weiterführung der Versicherung haben. Wer abspringen will, sollte bis Anfang 2011 von einem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen. Aufgrund der geänderten Regelungen können Versicherungsflüchtlinge bis 31. März 2011 durch eine schriftliche Erklärung an die Bundesagentur für Arbeit ihren Austritt erklären. Rückwirkend zum 31.12.2010 können sie dann ausscheiden. Übersehen Sie den Termin, werden Sie automatisch zu den neuen Bedingungen weiterversichert – und haben kaum eine Chance, sich innerhalb der nächsten fünf Jahre aus der Versicherung zu verabschieden. Denn nur der Eintritt in die Versicherung war freiwillig...